Sexuelle Erregung ist kein rein psychologischer oder hormoneller Zustand. Sie ist ein körperlich wahrnehmbares Phänomen. Und doch erlebe ich in der Praxis immer wieder:
Viele Frauen haben den Zugang zu dieser Wahrnehmung weitgehend verloren.

Stress, mentale Daueranspannung und funktionale Alltagsstrukturen führen dazu, dass die Signale des Körpers übersehen, ignoriert oder fehlinterpretiert werden.

Dabei zeigen wissenschaftliche Untersuchungen: Die Fähigkeit zur bewussten Körperwahrnehmung – die sogenannte interozeptive Wahrnehmung – steht in engem Zusammenhang mit der Qualität sexueller Erregbarkeit.
Erregung entsteht nicht „im Kopf“, sondern im Zusammenspiel mit physischen Mikroimpulsen: Temperaturveränderungen, Druckempfinden, Atem, Muskeltonus.

Wenn der Körper schweigt, verstummt die Lust

Viele Frauen funktionieren im Alltag hervorragend.
Sie sind präsent, kompetent, belastbar und gleichzeitig innerlich abgeschnitten, wenn es um ihre eigene Lust geht.

In meiner Praxis höre ich oft Sätze wie:

„Ich weiß gar nicht mehr, was mich anmacht.“

„Ich spüre beim Sex einfach… nichts.“

Was dahinter liegt, ist oft kein Defekt und keine Blockade, sondern ein simples Phänomen: Der Körper ist nicht mehr beteiligt. Der Kontakt zum eigenen Körper ist unterbrochen.

Denn:
Dein Körper weiß sehr wohl, was dich erregt.
Aber wenn du ihn ständig übergehst, ignorierst oder kontrollierst, zieht er sich zurück.
Nicht aus Trotz, sondern aus Selbstschutz.

Erregung entsteht nicht unter Druck.
Sie entsteht im Kontakt mit dir selbst.

Wie du wieder in Verbindung kommst

1. Entkopple Erregung vom Sex

Erregung ist kein Vorspiel, keine Technik. Sie ist ein Zustand. Sie kann beim Duschen beginnen, beim Eincremen, beim Tanzen oder beim Innehalten. Wenn du sie nur in Verbindung mit Penetration oder Partnerschaft denkst, hast du ihre Kraft schon eingeschränkt.

2. Nimm Mikrosignale ernst

Ein Hauch, ein Zucken, ein inneres Weichwerden. Genau dort beginnt deine Körperintelligenz. Viele Frauen übergehen diese Signale, weil sie nicht “intensiv” genug wirken. Aber genau sie sind der Einstieg.

Praxis-Impulse, die sich bewährt haben

Die 5-Minuten-Sinnesübung

• Wähle einen Sinn (z. B. Tastsinn).
• Setz dich ruhig hin, schließe die Augen.
• Spüre deine Kleidung auf der Haut.
• Fokussiere dich auf eine Körperstelle z. B. deinen Oberarm, deine Taille oder deinen Oberschenkel.
• Bleib dort 2–3 Minuten. Ohne zu analysieren. Nur spüren.

Achtsame Berührung

Berühre dich bewusst: beim Eincremen, Waschen, bei Kontakt mit Wasser oder Textilien.
Achte auf Temperatur, Druck, Struktur.
So schulst du deine taktile Wahrnehmung und entdeckst deinen Körper als Quelle von Empfindung neu.

Der 3–5 Minuten-Body-Scan

Lege dich hin. Spüre deinen Körperteil für Körperteil von den Füßen bis zum Kopf.
Nimm wahr, wie jeder Teil aufliegt, wie er atmet, wie er sich anfühlt.
Wo ist Spannung, wo Weite, wo nichts?
Nichts verändern, einfach nur beobachten.

Der Atem-Anker

Wenn du dich überfordert fühlst: Hände auf Bauch und Brust.
Atme so, dass sich nur die untere Hand hebt.
Diese Bauchatmung aktiviert dein parasympathisches Nervensystem, was die Grundlage für Entspannung, Spüren und Erregung ist.

Die 10-Sekunden-Regel

Bevor du das Licht ausmachst: Halt inne.
Spüre 10 Sekunden lang in deinen Körper hinein: Bin ich wach oder müde? Eng oder weich?
Diese Mini-Pause kann der Unterschied sein zwischen mechanischem und bewusstem Sex.

Diese Denkfehler sabotieren deine Fortschritte

Fehler 1: Du setzt dich unter Druck

„Heute muss ich aber was spüren!“ ist der sicherste Weg, nichts zu spüren.
Wahrnehmung entsteht in Entspannung, nicht im Funktionieren.

Fehler 2: Du vergleichst dich mit früher

„Früher war ich empfindsamer“ blockiert dich im Heute.
Dein Körper verändert sich und damit auch die Art, wie du Lust empfindest. Das ist kein Defizit, sondern Entwicklung.

Fehler 3: Du wartest auf den perfekten Moment

Es gibt keinen.
Körperbewusstsein entsteht durch regelmäßige kleine Aufmerksamkeitsmomente nicht durch seltene „perfekte“ Situationen.

Fehler 4: Du kennst deinen Sinnestyp nicht

Wenn du z. B. stark visuell orientiert bist, wirst du im Dunkeln weniger spüren.
Wenn du Berührung brauchst, aber dich selbst nie berührst, verpasst du deinen Zugang.
Dein Sinnestyp ist entscheidend.

Womit du tiefer gehen kannst

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